Welchen Krebspatienten könnten Immuntherapien besonders helfen?

Bei der so genannten DNA-Methylierung werden Grundbausteine der Erbsubstanz einer Zelle chemisch zeitweise verändert. Dieser epigenetische Mechanismus ermöglicht der Zelle eine selektive Nutzung bestimmter DNA-Bereiche, wodurch sich die Zelle beispielsweise an ihre Umgebung anpassen kann. Das geschieht im menschlichen Körper Tag für Tag. Veränderungen der DNA-Methylierung spielen bei der Entstehung von Krebserkrankungen eine Rolle. So weisen Tumorzellen oft Methylierungsmuster auf, die von denen gesunden Gewebes abweichen. Eine interdisziplinäre Studie des Universitätsklinikum Frankfurt hat nun bestimmte epigenetische Muster bei Patientinnen und Patienten mit metastasiertem Hautkrebs identifiziert. Diese erlauben eine Prognose, ob betroffene Patienten auf eine Immuntherapie ansprechen. Die Ergebnisse könnten auch für andere Tumoren relevant sein.

Das maligne Melanom ist eine der häufigsten Krebsarten und weist in den vergangenen Jahren eine steigende Inzidenz auf. Die Prognose und Behandlung hängen stark vom Stadium der Erkrankung ab. Gerade beim fortgeschrittenen Hautkrebs des Stadiums IV ist die Prognose deutlich schlechter als bei niedrigeren Stadien. Neuartige Therapieoptionen haben hier teilweise zu einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit geführt. So haben sich die so genannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) zu einer vielversprechenden Behandlungsoption entwickelt. Tumore setzen die Immunantwort des Körpers teilweise außer Kraft. Bei den ICI handelt es sich um Medikamente, die diesem Effekt entgegenwirken. „Immun-Checkpoint-Inhibitoren heben eine zum Beispiel von Krebszellen ausgehende Hemmung des Immunsystems auf und sorgen somit für eine bessere Anti-Tumor-Immunantwort. Sie gehören zur Standardtherapie beim metastasierten Melanom und haben dort die Behandlung revolutioniert. Allerdings sind die Therapien nicht immer erfolgreich“, erklärt PD Dr. Patrick N. Harter, Leitender Oberarzt am Neurologischen Institut (Edinger Institut) des Universitätsklinikum Frankfurt und Leiter der Studie. Bisher fehlen so genannte Biomarker, charakteristische und messbare molekulare Marker, die ein langfristiges Therapieansprechen vorhersagen können. „Wir haben im Rahmen unserer Studie ein Werkzeug entwickelt, mit dem wir Prognosen treffen können, ob und wie eine Patientin oder ein Patient mit metastasiertem Melanom auf eine Immuntherapie anspricht. Dafür haben wir so genannte DNA-Methylierungssignaturen von Tumorgewebe identifiziert, die als Biomarker dienen können“, ergänzt Dr. Harter. Die Studie ist aktuell im Journal for ImmunoTherapy of Cancer erschienen, der Fachzeitschrift der Society for Immunotherapy of Cancer.

Verfeinerter Algorithmus schafft Grundlage für Klassifizierung
Bislang konnten globale Analysen von DNA-Methylierungsdaten keine zuverlässigen prognostischen Muster unterscheiden. Die in der Studie angewendete Analysetechnologie hat jetzt den DNA-Methylierungsstatus an mehr als 800.000 Stellen des Tumorerbguts untersucht. Das wurde möglich durch einen verfeinerten Algorithmus, den die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Studie entwickelt haben. So konnten Methylierungsmuster entschlüsselt werden, die eine Klassifikation der immuntherapierten Melanome im Stadium IV ermöglichen. „Wir konnten den Algorithmus für die Auswertung der Methylierungsdaten so verfeinern, dass er uns eine präzisierte Sicht auf die epigenetischen Tumorprofile gewährt“, so Dr. Katharina Filipski, eine der Erstautorinnen der Studie, die am Neurologischen Institut und am Frankfurt Cancer Institute (FCI) forscht und aktuell als Clinician Scientist durch das Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) gefördert wird. „Diese epigenetischen Muster und die damit mögliche Klassifizierung können uns Informationen darüber geben, welche Patientinnen und Patienten voraussichtlich gut auf eine Immuntherapie ansprechen.“ 

Interdisziplinärer Erfolg ebnet den Weg für weitere Forschungsvorhaben
Der bioinformatische Algorithmus, den die Forscherinnen und Forscher entwickelt haben, kann prinzipiell bei allen soliden Tumoren getestet werden. Er eröffnet somit weitere Einsatzmöglichkeiten bei anderen Krankheitsbildern. Die neuen Erkenntnisse für die gezielte Immuntherapie wurden möglich dank der Kooperation und Nachwuchsförderung von Instituten, die sich der Krebsforschung widmen: das LOEWE-Zentrum Frankfurt Cancer Institute (FCI) mit dem Programm „Discovery & Development“, das Universitäre Centrum für Tumorerkrankungen (UCT) am Universitätsklinikum Frankfurt sowie das Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) Frankfurt. Die Studie ist ein besonderes Beispiel für erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit, an der die Klinik für Dermatologie, das Zentrum der Radiologie und der neuroonkologische Schwerpunkt des UCT am Universitätsklinikum Frankfurt sowie die Universitäten in Saarbrücken, Berlin, Würzburg und Kent (UK) beteiligt waren.

Publikation:
Filipski, K.*, Scherer, M.*, Zeiner, K.N.*, Bucher, A., Kleemann, J., Jurmeister, P., Hartung, T.I., Meissner, M., Plate, K.H., Fenton, T.R., Walter, J., Tierling, S., Schilling, B., Zeiner, P.S.**, Harter, P.N.**; DNA metylation-based prediction of response to immune checkpoint inhibition in metastatic melanoma, Journal for ImmunoTherapy of Cancer, July 19, 2021
https://dx.doi.org/10.1136/jitc-2020-002226
* geteilte Erstautorenschaft; ** geteilte Letztautorenschaft

Für weitere Informationen:
PD Dr. med. Patrick N. Harter
Leitender Oberarzt
Edinger-Institute (Neurologisches Institut)
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: +49 69 63 01 – 8 41 69
E-Mail: patrick.harter@kgu.de 
Internet: www.kgu.de

Über das Universitätsklinikum Frankfurt
Das Universitätsklinikum Frankfurt, gegründet im Jahr 1914, zählt zu den führenden hochschulmedizinischen Einrichtungen Deutschlands. Es bietet seinen Patientinnen und Patienten eine bestmögliche medizinische Versorgung in 32 Kliniken und klinischen Instituten. Der enge Bezug zur Wissenschaft – Universitätsklinikum und Fachbereich Medizin betreiben mehr als 20 Forschungsinstitute – sichert den Patientinnen und Patienten eine zeitnahe Umsetzung neuer Erkenntnisse in die diagnostische und therapeutische Praxis. Rund 1.500 stationäre und tagesklinische Betten stehen zur Verfügung. Zahlreiche Kliniken und Institute widmen sich medizinisch-wissenschaftlichen Spezialleistungen. Jährlich werden mehr als 50.000 stationäre und 200.000 ambulante Patientinnen und Patienten betreut. Besondere interdisziplinäre Kompetenz besitzt das Universitätsklinikum unter anderem auf den Gebieten der Neurowissenschaften, Onkologie und kardiovaskulären Medizin. Auch als Standort für Organ- und Knochenmarktransplantationen, Dialyse sowie der Herzchirurgie und Neurochirurgie nimmt es besondere Aufgaben der überregionalen medizinischen Versorgung wahr. Das Leberzentrum ist die einzige Einrichtung für Lebertransplantation in Hessen. Ein Alleinstellungsmerkmal gemäß Versorgungsauftrag nach dem Hessischen Krankenhausgesetz besteht für die Region Frankfurt-Offenbach neben der Herzchirurgie auch für die Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie, die Dermatologie und die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Mehr als 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich rund um die Uhr um die Patientinnen und Patienten.

Herausgeber: Der Vorstand des Universitätsklinikum Frankfurt. Redaktion: Christoph Lunkenheimer, Pressesprecher, Stabsstelle Kommunikation, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main, Telefon: +49 69 63 01 – 86 44 2, E-Mail: christoph.lunkenheimer@kgu.de

Pressekontakt

Felicitas Cremer
UCT Frankfurt
Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Frank­furt
Theo­dor-Stern-Kai 7
60590 Frank­furt
Tel. 069 6301 87335
Fax 069 6301 6101